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Das Drehkreuz

Laudatio zum Brandenburgischen Betonkopf 2007

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

im vierten Jahr seiner Verleihung wird der diesjährige Betonkopf 2007 erstmals nicht an ein Unternehmen oder eine Behörde vergeben.

Das liegt nicht daran, dass es der Jury an entsprechenden Nominierungen gefehlt hätte.

Ursache ist vielmehr die Tatsache, das der heutige Preisträger keinem einzelnen Verantwortlichen zugeordnet werden kann. Er ist so weit verbreitet und wird von so vielen Unternehmen eingesetzt, dass es schlicht unfair gewesen wäre, einen Einzelnen für die Sünden eines ganzen Wirtschaftszweiges an den Pranger zu stellen.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

der Preisträger des diesjährigen Betonkopfes Brandenburg 2007 ist das

Drehkreuz.

Jeder kennt das chromfarbene Eingangshindernis aus dem Supermarkt.
Nur wenige Besucher eines solchen Einkaufstempels sind sich beim Passieren bewusst, dass es sich um ein geradezu ideales Instrument zur Ausgrenzung mobilitätsbehinderter Menschen handelt. Das wird sich nach dieser Preisverleihung hoffentlich ändern.

Zeitgemäß ist das Drehkreuz längst nicht mehr. Eine Reihe von Handelsunternehmen setzt es nicht mehr ein und verwendet eine behindertenfreundliche zweite Automatiktür oder sich ebenfalls selbsttätig öffnende Bügelsperren.

Wir haben im Vorfeld der heutigen Preisverleihung die Supermarktketten ALDI, Netto, Rewe, plus und Penny angeschrieben, in deren Märkten wir das Drehkreuz immer noch vorfinden.

Die Reaktionen waren unterschiedlich:

Trotzig, uneinsichtig und lebensfremd fanden wir beispielsweise die Reaktion aus dem Hause Netto.

Konkrete Abhilfe und Beseitigung der letzten Drehkreuze in den eigenen Märkten sagte die Geschäftsleitung von Rewe zu.

Bei plus hat man im Einzelfall ganz schnell reagiert und auf Verlangen von Betroffenen das Drehkreuz abgebaut (so in einem Markt in Rathenow), anderorts aber zeitgleich neue Märkte mit Drehkreuz eröffnet (so in Potsdam).

Keine Antwort haben wir von ALDI und Penny erhalten.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

das Drehkreuz verkörpert viele aktuelle Widersprüche in sich:

Deutschland starrte in den vergangenen Jahren geradezu auf die Alterspyramide, denkt bei Bau von Supermärkte aber weder an den Rentner mit Rollwagen, noch an den Rollstuhlfahrer.

Brandenburg schreibt in der Bauordnung vor, dass in Nähe des Eingangs von Supermärkten reserviert Parkplätze für behinderte Menschen vorzuhalten sind und ein ebenerdiger Zugang zum Markt vorhanden ist. Was 2 Meter hinter der Eingangstür passiert, interessiert dann allerdings nicht mehr.

Wir haben ein Diskriminierungsverbot im Grundgesetz und in der Landesverfassung. Behindertengleichstellungsgesetze auf Bundesebene und im Land Brandenburg. Seit kurzem ein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz und vor etwas mehr als zwei Monaten hat die Bundesregierung in New York das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte behinderter Menschen unterschrieben.

Und da steht dann ein kleines Drehkreuz dutzendfach in deutschen Supermärkten, dreht uns eine Nase und zeigt, wie weit wir noch entfernt sind von einer wirklichen Gleichstellung behinderter Menschen.

Das war uns den

Betonkopf Brandenburg 2007

wert.

www.betonkopf-brandenburg.de